• Innovationen für Athlet:innen

Bahnbrechendes Design: Das Geheimnis hinter den bisher ungewöhnlichsten Air-Schuhen von Nike

  • 11.4.2024
A collage of Nike Air prototypes in sail with a total orange air unit.

Im zweiten Stock des LeBron James Innovation Building in Beaverton, Oregon, sitzen Designer:innen von Nike um einen Tisch herum. Sie begutachten einen in 3D gedruckten Schuhprototyp für Victor Wembanyama, der Schuhgröße 55 trägt.

Der Schuh ist mindestens ebenso beeindruckend wie der 2,24 Meter große Forward selbst. Das geometrische Muster auf dem Obermaterial erinnert an ein Gehirn. Inspiriert wurde es von dem Wismut-Kristall, den Wembanyama in der Draft Night letzten Sommer um den Hals trug, als er zur Nummer 1 der Liga gewählt wurde. Über den seitlichen Mittelfuß und die Außensohle verläuft ein noch nie zuvor in einem Basketballschuh verwendetes, spaltförmiges Nike Air-Element. Das Aussehen erinnert an einen Riss in einem Kometen, der auf die Erde gefallen ist. Das Air-Element sorgt in diesem Modell nicht nur für die Dämpfung unter den Füßen, sondern auch dafür, dass Wembanyama während des Spiels bei extremen Bewegungen Halt hat und nicht umknickt. Der Prototyp ist – genau wie der Athlet, für den er gemacht ist – in jeder Hinsicht revolutionär. Etwas Vergleichbares gab es noch nie. Dennoch bedarf er weiteren Finetunings – und die Zeit rennt. 

Die Teammitglieder tauschen sich ausführlich über den riesigen Prototyp aus. Dieser ist in der Farbe Sail gehalten. Das Air-Element im typischen Nike Total Orange sorgt für einen zusätzlichen Akzent. Die Designer:innen wollen, dass die juwelenartigen Strukturen im Inneren des Orange besser zur Geltung kommen und dafür das Element mit einem dunkleren Farbverlauf akzentuieren. Eines der Teammitglieder merkt an, dass die Profiltiefe des Musters bei diesem Prototyp etwas zu gering ist und dass der Schlagschatten über der Textur das Licht nicht abfängt. 

"Können wir eine neue Version dieses Air-Elements drucken?", fragt eine:r der Designer:innen. "Und können wir dieses Profil noch vertiefen?" Ein Projektmanager macht sich Notizen, bevor er durch den Flur zum Concept Creation Center eilt und die Änderungen in einen großen 3D-Drucker programmiert. In dem riesigen Raum hinter ihm sind die Geräusche von 12 anderen Schuhdesign-Sitzungen zu hören. Der Raum ist von 13 riesigen Moodboards umgeben, von denen jedes einem anderen Prototyp einer/eines Athlet:in gewidmet ist. Die digitalen Renderings, Skizzen und Materialproben quellen förmlich über die drei Meter hohen Tafeln hinaus.

"Meine große Hoffnung ist, dass dieses Projekt ein Gespür für die unbegrenzten Möglichkeiten weckt."

John Hoke, Nike, Chief Innovation Officer

Das Designstudio im LeBron James Innovation Building war der Inkubator für A.I.R. – Athlete Imagined Revolution. Dabei handelt es sich um einen kreativen Entwicklungsprozess, bei dem Teams aus Nike Designer:innen und -Innovator:innen mit 13 Spitzenathlet:innen der Marke – von Wembanyama über Sha'Carri Richardson bis hin zu Kylian Mbappé – zusammenarbeiten. Im Rahmen von A.I.R. kommen einige der weltbesten Athleten:innen und Nike Innovator:innen zusammen, um mithilfe modernster Technologien und KI die Zukunft von Air mitzugestalten.

In der Geschichte von Nike gibt es wohl kein Projekt, das so viele zukunftsweisende Disziplinen zusammenbringt und so das Zusammenspiel von Designern:innen, Athlet:innen und Technik revolutioniert. Nike Air ist die perfekte Leinwand dafür. Der Reiz von Air liegt darin, dass es nie eine endgültige Form erreichen wird. Die Technologie ist ein Beispiel für kontinuierliche Erneuerung und unendlichen Fortschritt. Und mit dem Aufkommen immer neuer Technologien sind einige der kühnsten Visionen von Air keine Fantasie mehr. Die Vorbereitungen auf die Spiele in Paris boten die Gelegenheit für Nike, um in Zusammenarbeit mit den Athlet:innen neue Horizonte für Air zu öffnen und der Fantasie Raum zu geben.

“Damit diese Prototypen erfolgreich sind, müssen sie Emotionen wecken", sagt John Hoke, Nike, Chief Innovation Officer. "Sie müssen eine gewisse Ehrfurcht vor dem, was hinter dem Horizont liegt, und einen Optimismus im Hinblick auf die Zukunft wecken. Meine große Hoffnung ist, dass dieses Projekt ein Gespür für die unbegrenzten Möglichkeiten weckt. Die Nike Air-Technologie ist mittlerweile fast 50 Jahre alt. Und wir sind gerade erst am Anfang, das Potenzial von Air voll auszuschöpfen. Diese Schuhprototypen sind der Beleg dafür, dass wir noch lange nicht am Ziel angelangt sind."

Die Designtechniken von A.I.R., die in diesem Gebäude – dem Epizentrum für Kreativität und Fortschritt im World Headquarters von Nike – zum Einsatz kommen, bringen Rechenleistung, Fertigungskapazitäten und menschliche Fähigkeiten an ihre Grenzen. Diese Prototypen demonstrieren die fantastischen Möglichkeiten von Nike Air, sind aber in einer ganz bestimmten Realität verankert – der Welt, in der die Athlet:innen ihre Leistungen erbringen und an Wettkämpfen teilnehmen.

A.I.R. definiert die handwerkliche Professionalität von Nike neu: Das Fachwissen der besten Kreativtalente wird mit den modernsten Designtools vereint, um Athlet:innen ein noch nie dagewesenes Maß an Personalisierung zu bieten.

A grid of AI generated images that were used as concept inspirations. Generated images include robotic arms, a desert sand dune landscape during sunset, a man wearing a full face mask, a path lined by green trees, a futuristic world with blue screens with kids running, a white and orange dragon, a black jet, an under ground tunnel lit up with orange and blue lights, wavy strands of beads, and a person wearing a white puffer fish spiked top.

Das ist nur ein Bruchteil der Konzepte, deren Zahl in die Hunderte geht, die mit einer Reihe von generativen Werkzeugen an einem einzigen Nachmittag erstellt wurden.

Phase 1: Informieren und Inspirieren

Zum Auftakt haben die Innovator:innen von Nike Designteams für die 13 Nike-Athlet:innen in vier Sportarten gebildet: Leichtathletik, Fußball, Basketball und Tennis. Der erste Schritt bestand – wie immer bei Nike – darin, auf die Stimme der Athlet:innen zu hören. Um das ideale Schuhdesign zu finden, sind die Teams mit einem Fragenkatalog an ihre Athlet:innen herangetreten. Schwebt ihnen etwas eher Konservatives oder etwas Ausgefallenes vor? Ein ganzheitliches Design oder etwas, das durch eine einzelne Komponente definiert ist? Etwas Monolithisches oder Fraktales? Bei anderen Fragen ging es um den Hintergrund der Athlet:innen. Welche Menschen, Orte oder Dinge haben sie inspiriert? Wie könnte der Schuh die Athlet:innen konkret verkörpern? Ihre Persönlichkeit, ihren Style, ihre körperliche Präsenz. Einfach alles. Bei diesen Zuhörsessions war nichts tabu.

Bei dieser Art von Verkörperung geht es darum, die "Wahrheit der Athlet:innen" zu ergründen, sagt Roger Chen, Nike VP, NXT, Digital Product Creation – ein fast zelluläres Verständnis des Designs, das den Athlet:innen hilft, ihr Bestes zu denken, zu fühlen und zu leisten. Diese Formulierung war, so Chen, die Grundlage für den gesamten Designprozess. Wenn Sprinterinnen an den Start für den 100-Meter-Lauf gehen und ein tiefes Vertrauen darin haben, dass jedes Element, einschließlich ihrer Spikes, sie auf den Sieg vorbereitet hat, dann ist das die Wahrheit der Athlet:innen, sagt er. Und es ist ein Datenpunkt, der nicht quantifiziert werden kann und ein Höchstmaß an Vertrauen von beiden Seiten erfordert.

"Um die Wahrheit der Athlet:innen zu ergründen, braucht es authentische Beziehungen", sagt Chen. "Du musst wissen, für wen du arbeitest. Bei Nike hängt alles davon ab, wie gut wir unsere Athlet:innen kennen."

Nachdem die Designer:innen die Antworten der Athlet:innen erfasst hatten, ließen sie diese immer wieder durch KI-Prompts laufen, um ihre Ideen zu konkretisieren. Das Ergebnis dieser Durchläufe war überwältigend: Hunderte von Beispielen in Form von KI-erstellten Bildern für jede:n Athlet:in, die alle im Handumdrehen erstellt wurden. Damit hatten die Designer:innen von Nike eine Fülle von Inspirationen für die 13 endgültigen Prototypen. 

Für Chen und sein Team wurden die von der KI generierten Ergebnisse zu Hilfsmitteln, mit denen sie die Beziehungen zu den Athlet:innen schneller und gezielter vertiefen konnten.

"KI hat unseren kreativen Prozess exponentiell beschleunigt", sagt Chen. "Früher haben wir Monate gebraucht, um diese Ansätze für den Einstieg zu entwickeln. Jetzt können wir sie in Sekundenschnelle erstellen. Für uns ist KI wie ein schärferer, intelligenterer Bleistift. Die Designer:innen behalten die Kontrolle. Die Magie entsteht daraus, was du mit dem Stift machst. Wir haben diesen generativen Programmen ganze Welten vorgegeben, die sie an uns zurückspiegeln sollten, und das haben sie getan. Aber das funktioniert nicht ohne die intensiven Gespräche, die unsere Teams mit unseren Athlet:innen geführt haben."

AI generated concepts for A'ja Wilsons basketball shoe. Concept images includes a white shoe with a high collar, a close up of the bottom half of a woman's face, an indoor basketball court with sunlight coming through the windows, and orange and white soles.
AI generated shoe concepts for Kenyan runner Faith Kipyegon. Concept images include a black running shoe with one central dynamic air unit, different colored beads layered in circle rings, an outdoor track on a sunny day, and a black metallic armor suit covering the face entirely and with padded shoulders.
AI generated shoe concepts for tennis player Zheng Qinwen. Concept images include a white shoe with orange lining wrapping around it as well as other abstract images that were shaped by emotions associated with Qinwen like happiness and playfulness.
A'ja Wilson

Ein frühes Konzept für die Basketballspielerin A'ja Wilson. Die oben vorgestellten KI-Ausgaben basieren auf Wilsons Bestreben, ihr Team zu inspirieren. Daraus resultierten besondere Interpretationen von Licht, Fluss und Rhythmus.

Faith Kipyegon

Ein frühes Konzept für die kenianische Läuferin Faith Kipyegon. Oben sind einige der KI-Ausgaben zu sehen, die aus Kipyegons Zuhörsessions hervorgegangen sind. Sie sind inspiriert von ihrer Liebe zum Training in Wanderschuhen, zu traditionellen kenianischen Kunstwerken und vor allem zu ihrer kleinen Tochter.

Zheng Qinwen

Ein frühes Konzept für die Tennisspielerin Zheng Qinwen. Die Platzierung der Air-Einheit im gesamten Oberteil wurde von der überschwänglichen Freude inspiriert, die Qinwen auf und neben dem Court ausstrahlt. Die oben abgebildeten KI-Ausgaben sind geprägt von Emotionen wie Glück und Verspieltheit.

Phase zwei: Ideen entwickeln und umsetzen

Nachdem Hunderte von KI-Visualisierungen gesichtet waren, legten die Teams den intelligenten Stift beiseite und taten das, was sie am besten können: Sie designten exakt nach den Vorgaben der Spitzenathlet:innen. Die 13 Teams ließen sich für ihre Entwürfe von den Formen, Texturen, generativen Figuren und sogar von den ganzen Welten der KI-Bilder inspirieren, um drei radikale Schuhkonzepte zu entwickeln, die Air auf eine neue Art und Weise zum Ausdruck bringen sollten. In einigen Fällen mussten die Designer:innen den Voreingenommenheiten der KI-Algorithmen entgegenwirken, um einheitliche Konzepte zum Thema Air zu entwickeln. 

"Uns ist aufgefallen, dass viele der KI-Bilder, die Air interpretieren, von einer ähnlichen fließenden Ästhetik geprägt sind", sagt Chen. "Die Programme neigen dazu, Air organisch und fließend zu interpretieren. Wir haben uns auf die Inspirationspunkte konzentriert, die den jeweiligen Konzepten eine bestimmte, eindeutige Richtung geben.

Nachdem die Designer:innen drei Konzepte entwickelt haben, steht das ultimative Feedback an – das Urteil der Athlet:innen. Jedes Detail der Konzepte wurde diskutiert, einschließlich der Merkmale, die aus ästhetischen, funktionalen oder expressiven Gründen Berücksichtigung finden sollten.

Chen verweist auf eine frühe Session des Teams mit Eliud Kipchoge, in der der Marathonläufer seine Meinung zu einem ersten Konzept äußerte. Der Schuh hatte einen schalenförmigen, abgeschrägten Absatz, der an eine Karbonfeder eines Rennschuhs erinnerte. Auf dem Papier schien das aerodynamische Design ein Selbstläufer zu sein. 

Nachdem er die digitale Darstellung in Ruhe studiert hatte, nahm Kipchoge ein Blatt Papier aus dem Notizbuch und zeichnete seine eigenen Skizzen.

Kipchoge zeichnete seine eigene Version des Konzepts, fügte aber noch etwas hinzu: Er bat das Team, den ausgehöhlten Bereich mit der Ferse zu verbinden. Seine Überlegung war, dass sich beim Laufen das Gestein von unbefestigten Wegen in der federartigen Form der Plattform festsetzen würde, sagt Chen. "Er hat ein Problem in der Funktionsweise seines Schuhs in seiner Trainingsumgebung gesehen, das wir noch nicht bedacht hatten." 

Innovatives Design entsteht, wenn alle Beteiligten – Designer:innen, Athlet:innen und KI – unbedachte Annahmen hinterfragen können. Als Chen und das Designteam sich das Feedback der 100-Meter-Siegerin Sha'Carri Richardson zu ihren Konzepten anhörten, lag ein beschreibendes Wort in der Luft, das sie für ihr Design verwendete: anmutig.

"Wenn du an Sha'Carri denkst, dann fallen dir die Attribute Stärke, Kraft und Entschlossenheit ein", sagt Chen. Aber als das Designteam mit Sha'Carri über ihre Vorstellungen sprach, sagte sie den Designer:innen, dass sie keinen Spike wollte, der wie eine "Kampfsandale" aussieht. "Ihr Traum war es, dass ihr Fuß mit der Plattenkonstruktion des Spikes eine Einheit bildet. Deshalb haben wir uns darauf konzentriert, den Übergang vom Unterfußbereich zum Oberfuß und zum Beinabschluss besonders schön zu gestalten", sagt Chen. "Dieses Beispiel belegt, dass unsere Athlet:innen zahlreiche Eigenschaften auf einmal verkörpern. Unser Anliegen war es, dass ihre Prototypen dasselbe tun."

"Das Schönste an dem Projekt war, dass so unterschiedliche Köpfe an einem Tisch saßen und gemeinsam etwas geschaffen haben … Das ist der Nike Way, verschiedene Disziplinen zusammenzubringen, um etwas Neues zu schaffen."

Roger Chen, Nike VP, NXT, Digital Product Creation

Nachdem die Designer:innen die Rückmeldungen der Athlet:innen erhalten hatten, ging es an die Umsetzung. Die Teams machten sich an die Arbeit, die Prototypen zu erstellen, indem sie ihr fachspezifisches Wissen einbrachten. Dieses Vorgehen bezeichnet das Team als "intuitives Lesen". 

Viele der Anregungen, die von den KI-Programmen ausgegeben wurden, waren einfach zu abenteuerlich. Würden sie in einen Prototyp umgesetzt, könnte ein solcher Schuh niemals den Strapazen eines dreistündigen Tennismatches auf einem schwülen Sandplatz in Melbourne oder den 360-Grad-Bewegungen eines anstrengenden NBA-Spiels auf dem Court standhalten. Sieht das aus wie ein Basketballschuh? Die Designer:innen müssen sich fragen: Wenn nicht, warum nicht? Ein erfolgreicher Prototyp, der das Potenzial hat, ein echtes Performance-Produkt zu werden, hat die Teams dagegen dazu veranlasst, sich zu fragen: Wenn ja, wie? Welche Erkenntnisse aus A.I.R. könnten eines Tages helfen, Produkte der Zukunft zu gestalten? Um diese Antworten zu finden, nutzten die Teams alle fortschrittlichen Tools, die Nike für das Erstellen der Prototypen zur Verfügung stehen: Immersives 3D-Sketching, computergestütztes Design, 3D-Druck und Simulation, aber auch traditionelle Methoden wie das Skizzieren von Hand.

Nehmen wir die Paralympionikin und Tennisspielerin Diede de Groot. Diede ist darauf angewiesen, dass ihre Füße fest in ihrem Rollstuhl sitzen, und ihre Schuhe dürfen sie nicht von ihrem Spiel ablenken. Das Team konnte Air nicht als Unterfußdämpfung im traditionellen Sinne verwenden, aber das Erscheinungsbild von Air musste trotzdem authentisch zu ihrer Vision passen. Die Lösung: Ein Schuh, der sich schnell und einfach in ihren Rollstuhl einklinken lässt und sie fixiert, ähnlich wie ein Fahrradschuh, während das Obermaterial mit Air für den nötigen Halt sorgt. Mit digitalen Methoden wie der Simulation konnten die Designer:innen den Halt und die Strapazierfähigkeit von de Groots Schuh rechnerisch testen, bevor ein echter Prototyp gedruckt wurde.

"Das Schönste an dem Projekt war, dass so unterschiedliche Köpfe an einem Tisch saßen und gemeinsam etwas geschaffen haben, indem sie die verschiedenen Techniken und Technologien ineinander fließen ließen", sagt Chen. "Wir haben ständig voneinander gelernt. Das ist der Nike Way, verschiedene Disziplinen zusammenzubringen, um etwas Neues zu schaffen." 

Dank der Fertigungsmöglichkeiten von Nike konnten die Teams schnell physische Komponenten herstellen, um die Designformen direkt und in Echtzeit zu bewerten. Dann zeigt sich die ganze Leistungsfähigkeit der Einrichtungen von Nike, von den schnellen 3D-Druckern im Concept Creation Center, mit denen sich Designtheorien überprüfen lassen, bis hin zu den Air-MI-Maschinen von Nike, die sich  in einem Gebäude etwa anderthalb Kilometer vom World Headquarters entfernt befinden. Sie können ein noch nie dagewesenes Air-Element nach den Vorschlägen von Athlet:innen formen. 

Die Fertigung hat einen weiteren Vorteil für den Entwurfsprozess: Bei den realen Objekten werden subtile Unvollkommenheiten sichtbar, die dann verbessert werden können.

Tennisprofi Zheng Qinwen ließ sich bei ihrem Konzept von ihrem chinesischen Erbe inspirieren. Das Nike Air-Element hat die Form eines aufgerollten Drachens, der für Halt und Stabilität sorgt, und die Drachenschuppen sorgen für eine zuverlässige Traktion.

Zurück im Arbeitsbereich hält ein:e Designer:in das Muster von Qinwen hoch. Das Licht über dem Tisch lässt das Total Orange des serpentinenförmigen Air-Elements erstrahlen. Die Einkerbungen des Clips, eine Ansammlung von Drachenschuppen, die für Traktion sorgen, sind perfekt auf die Geometrie des Air-Elements darunter abgestimmt. Das ist nur aus der Nähe zu erkennen.

Bei einem früheren Prototyp passten die Texturen des Clips nicht zu den Texturen der darunter liegenden Einheit. Deshalb haben die Designer:innen von Nike ein neues Muster erstellt und die Schuppen perfekt an die Geometrie der Einheit angepasst. Außerdem wurde das Muster in Bereichen mit hoher Abnutzung rechnerisch verstärkt – eine Erkenntnis, die sich aus den umfangreichen Daten der NSRL-Tennisabnutzungstests ergab. 

"Nur wenige Menschen werden das Maß an Besessenheit erkennen, das in diesen endgültigen Entwürfen steckt", meint das Kreativtalent. "Entscheidend ist, dass wir es geschafft haben."

Die endgültigen Athlet:innen-Konzepte

Left view of shoe concept for British sprinter Dina Asher Smith. Concept includes a forefoot air unit sitting underneath a sport mesh upper and a detachable TPU heel clip.
Left view of shoe concept for Rai Benjamin in white featuring a ribbed hurdle inspired mid foot plate, a forefoot air unit contained on the lateral side and exposed on the medial side.
Left view of a shoe concept for tennis champion Diede de Root in white featuring a heel tailgate and clipping mechanism under the outsole to attach to her wheelchair with ease.
Left view of shoe concept in white for Erling Haaland.
Left view of shoe concept for Aussie striker Sam Kerr in white featuring big bold exposed air units in the heel and forefoot.
Left view of shoe concept in white for Eliud Kipchoge featuring a visible forefoot air unit detailed with sap like tensile fibers and a rocker throughout the beveled heel.
Left view of shoe concept in white for middle distance champion Faith Kipyegon featuring full length air units , a lugged outsole, and a secure bootie like fit for the upper features.
Left view of shoe concept in white for Kylian Mbappe featuring a full length air unit integrated throughout the underfoot plate, underfoot traction, and a boot profile inspired by the function of a track spike.
Left view of concept shoe in white for Zheng Qinwen featuring orange air unit coils on the forefoott and mid foot with a serpentine construction and a stippled texture for the collar.
Left view of shoe concept in white for Sha'Carri Richardson featuring an air unit fading from orange to neutral to clear toward the raised high heel and double helix pattern wrapping up the shin.
Left view of shoe concept in white for Brazilian footballer Vinicius Jr. featuring boot studs slanting outwards and an upper computational pattern that transforms down the forefoot.
Left view of concept shoe in white for Victor Wembanyama featuring an orange air unit traveling from under the forefoot and across the shoe's lateral side with a pixelated fractal appearance.
Left view of the shoe concept in white for A'ja Wilson featuring slits on the upper of the shoe unveiling the orange air design.
Dina Asher-Smith

Inspiriert von den Highlights der Haute Couture, wollte die britische Sprinterin ein Lauferlebnis, das sowohl auf Funktionalität als auch auf Schönheit zugeschnitten ist. Das Air-Element im Vorfußbereich sorgt für leichte Stabilität und befindet sich unter einem eleganten Obermaterial aus Sport-Mesh. Der TPU-Fersenclip, der einem eleganten Slingback nachempfunden ist, lässt sich leicht abnehmen, sobald Asher-Smith an der Startlinie steht.

Rai Benjamin

Die Leidenschaft des Hürdenläufers für den Radsport hat das Design seiner Spikes geprägt, sowohl wörtlich als auch technisch. Air musste bei extremen Kräften als eine Art Federung fungieren, also konzentrierte sich das Element im Vorfuß und in der Ferse, überbrückt von einer gerippten, vom Hürdenlauf inspirierten Mittelfußplatte, die so konzipiert wurde, dass sie ihn nach vorne federt. An seinem rechten Spike ist das Air-Element im Vorfußbereich auf der lateralen Seite enthalten und auf der medialen Seite freiliegend, was einer Dual-Density-Konstruktion ähnelt, die Benjamin bei den Turns unterstützt.

Diede de Groot

Die Tennismeisterin beherrscht einen Style, der geschmeidig und ständig in Bewegung ist, gelegentlich gemischt mit explosiven Geschwindigkeitsausbrüchen. Sie wollte, dass Air den gesamten Oberteil sicher umschließt, ohne sie zu belasten. Wichtig war de Groot auch, dass sie im Rollstuhl leicht in die Schuhe schlüpfen kann. Die Fersenklappe ist von der Flyease-Technologie inspiriert. Der Einrastmechanismus unter der Laufsohle sorgt dafür, dass die Schuhe schnell und einfach an ihrem Rollstuhl befestigt werden können.

Erling Haaland

Die besondere Form von Haalands Design stellt einen in der Zeit eingefrorenen Moment dar – die Krümmung des Fußes beim Auftreten. Das Obermaterial mit seinem einzigartigen Air-Muster und Design erzeugt eine Schlagkraft, die dem Ball bei Kontakt einen "Pop" verpasst.

Sam Kerr

Die australische Stürmerin weiß, dass sie mit Air richtig viel Schwung bekommt, vor allem wenn sie einen ihrer seltenen Backflips macht, ein spielerisches Fest, das sie zu ihrem Design inspiriert hat. Die Ferse und der Vorfuß sind mit großen, freiliegenden Air-Elementen versehen, die sich über die gesamte Platte erstrecken. Die Mikrotexturen im Vorfußbereich sollen ihr helfen, den Ball zu kontrollieren, während ein umgedrehter Swoosh über den Kragen läuft.

Eliud Kipchoge

Der größte Marathonläufer der Geschichte fühlte sich zu einem Design hingezogen, das die ganze Bandbreite von offenkundig technisch bis hin zu unauffällig naturalistisch abdeckt. Nach dem Motto "je mehr du drückst, desto mehr Saft kommt raus" hat Kipchoge ein sichtbares Air-Element im Vorfußbereich hinzugefügt, das mit saftähnlichen Zugfasern ausgestattet ist. Der Wulst an der abgeschrägten Ferse ist von seinen minutiösen Beobachtungen bei der Entwicklung der historischen Alphafly-Linie inspiriert.

Faith Kipyegon

Die Mittelstreckenläuferin liebt das Gefühl, in Trailschuhen zu trainieren, und sie wollte, dass das Air-Element in voller Länge ein kompromisslos unterstützendes Laufgefühl bietet, das jeden plötzlichen Wetterumschwung mitmacht. Die profilierte Außensohle hält bei rauen Bedingungen problemlos den Matsch ab. Das Obermaterial bietet eine sichere, bootie-ähnliche Passform, während die am Computer entwickelten Perlentexturen von einem Armband inspiriert sind, das sie zu Ehren ihrer Tochter trägt, die auch durch einen kleinen Swoosh an der Ferse symbolisiert wird.

Kylian Mbappé

Für Mbappé geht es bei Air um eine universelle Geschwindigkeit, deren Vorteile sich auf alle Sportarten übertragen lassen. Bei seinem Design ist Air über die gesamte Länge in die Unterfußplatte integriert, um die Reaktionsfähigkeit zu erhöhen. Das Schuhprofil ist von der Funktion eines Spikenagels und der Geschwindigkeit eines Kampfjets inspiriert. Die Traktion unter dem Fuß ist auf pure, lineare Geschwindigkeit ausgelegt.

Zheng Qinwen

In Qinwens Design ist Air sowohl allumfassend als auch präzise abgestimmt. Das Air-Element schlängelt sich komplett um den Vorder- und Mittelfuß des Schuhs und ist vom Jahr des Drachen des chinesischen Mondkalenders inspiriert. In Bereichen, die für einen extremen seitlichen Halt benötigt werden, wird die Traktion durch ein Muster verstärkt, das am Computer nach dem Vorbild von Drachenschuppen modelliert wurde. Die gepunktete Textur des Kragens ist der Knochenstruktur von echten Flügeln nachempfunden. 

Sha’Carri Richardson

Für Richardson musste Air drei zentrale Aspekte verkörpern: selbstbewusst, unnachgiebig und anmutig. Das Air-Element im Vorfußbereich wechselt von Total Orange zu Neutral, um dann in Richtung des erhöhten Absatzes zu verschwinden – ein visueller Fingerzeig, der von ihrem Wunsch nach einem Gefühl der Einheit zwischen ihrem Fuß und ihrem Spike inspiriert ist. Das am Computer entworfene Obermaterial geht in ein wunderschönes Doppelhelix-Muster über, das das Schienbein umhüllt.

Vinicius Jr.

Der brasilianische Fußballer ist wie ein Blitz auf dem Spielfeld, und sein Air-Element macht sich seine Geschwindigkeit durch das schlanke, reaktionsschnelle Profil zunutze. Die Stollen des Schuhs sind nach außen geneigt, um schnelle Drehungen und Schnitte beim Dribbeln zu ermöglichen. Aus der Nähe betrachtet, weist das Obermaterial ein markantes am Computer entstandenes Muster auf, das sich im Vorfußbereich fortsetzt und die Bereiche verstärkt, in denen er für die Ballkontrolle besonders viel Grip braucht.

Victor Wembanyama

Der 2,24 m große Forward liebt es, zu Hause barfuß zu laufen und dem Boden so nah wie möglich zu sein. In seinem Design sollte Air besonders reaktionsfreudig sein, wobei die Air-Einheit unter dem Vorfuß und an der Seite des Schuhs verläuft und so für Dämpfung sorgt. Das verpixelte, fraktale Aussehen der Einheit ist sowohl von seiner Liebe zu Science Fiction als auch zu Schmuck inspiriert, wie dem Wismut-Stein, den er in der Draft Night trug. Zusätzlich ist das Obermaterial mit einem abstrakten Computermotiv bedruckt.

A'ja Wilson

Das Design von A'ja ist genau wie ihr Spiel so konzipiert, dass es sich an jede Situation auf dem Court anpasst und erfolgreich ist. Für die dynamische und vielseitige Spielerin ist Air eine Unterstützung und ein Katalysator für unerwartete Bewegungen bei jedem Schritt. Das Konzept verkörpert ihr Wesen der Unberechenbarkeit und spiegelt ihre unvergleichlichen Fähigkeiten als Linkshänderin wider. Wenn sie sich nach links bewegt, weiten sich die Schlitze auf dem Obermaterial des Schuhs anmutig und enthüllen das Air-Design. Die unerwartete Öffnung ist eine visuelle Demonstration ihrer Agilität und Finesse, die es ihr ermöglicht, zu schweben und gleichzeitig die Verbindung zum Boden aufrechtzuerhalten.

The Unreal Becomes Real

Der Prozess wiederholt sich: Die Designer:innen tragen weitere Rückmeldungen zu den Mustern zusammen, verfeinern die Details des Prototyps, drucken weitere Teile und gehen bei Bedarf zurück ans Zeichenbrett. Moodboards im Arbeitsbereich, auf denen die neuesten Muster von Athlet:innen zu sehen sind, werden innerhalb weniger Stunden abgebaut und mit aktualisierten Renderings und Materialien wieder aufgebaut. Am Ende einer noch nie dagewesenen Zeitspanne sind die Nike A.I.R. Prototypen bereit, in Paris enthüllt zu werden. Das ist ein iterativer Prozess, wie er im Buche steht. Und auch der kreative Prozess wird deutlich: Jede Form ist ein Stück Stein, das von allen Seiten abgetragen wird, um die Kunst darunter freizulegen. 

Für Hoke stand von der ersten Minute an fest, dass die Vision des Projekts so ambitioniert ist wie sein Akronym A.I.R.. Athletes steht für all diejenigen, für die Nike Produkte entwickelt und herstellt, sagt Hoke. Imagined ist die Inspiration, die Nike aus der KI als Partnerschaftswerkzeug zieht. Revolution bedeutet genau das: eine Revolution für die Art und Weise, wie Nike arbeitet.

"Wir beherrschen unsere generativen Tools so gut, dass wir den Athlet:innen eine unübertroffene Personalisierung bieten können", sagt Hoke. "Wenn KI ohne die entsprechende Erfahrung eingesetzt wird, entstehen Entwürfe, die voller Allgemeinplätze sind. Aber nachdem wir unseren Athlet:innen zugehört haben, machen wir uns die konzeptionelle Kraft der KI zunutze und verwenden sie, um die Bedürfnisse der Athlet:innen zu ergründen und einen neuen Arbeitsprozess zu schaffen. Wir können von einem Produkt besessen sein, und die KI wird zum kreativen Komplizen für uns." 

Ein Blick auf die vielen Inspirationen, die zu Eliud Kipchoges letztem Prototyp führten

Nach Ansicht von Hoke geben neue Tools wie KI den Designer:innen von Nike die Möglichkeit, mehr zu tun als nur zuzuhören. Er nennt es parametrische Innovation, ein Ableger des parametrischen Designs. Algorithmen produzieren Rohkonzepte auf der Basis von Eingaben – und dann endet der Prozess. Das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine wird in diesem Fall linear und transaktional, fast wie eine Staffelstabübergabe bei einem Staffellauf. A.I.R. forderte die Designer:innen von Nike heraus, neue, iterative Beziehungen mit ihren generativen Werkzeugen zu schaffen, um den Input zwischen Programm und Person zu schärfen und die Eigenschaften eines Schuhs zu verfeinern, bis er das Wesen der Athlet:innen widerspiegelt.

Hoke ist überzeugt, dass das gezielte Zuhören am Anfang der Beziehungen steht, die Nike seit der Gründung des Unternehmens vor mehr als 50 Jahren pflegt. Neu und manchmal atemberaubend sei die "Geschwindigkeit und Treue", mit der die Designer:innen von Nike durch die Kombination von KI und ihren Beziehungen zu den Athlet:innen etwas erschaffen können, sagt er. Nicht die Werkzeuge sind die Zukunft des Designs bei Nike. Die Zukunft liegt in den Beziehungen von Nike zu seinen Werkzeugen und in der Brücke, die diese Werkzeuge schlagen, um die Beziehung zwischen Athlet:innen und Designer:innen zu vertiefen. 

Am 11. April wurden die 13 Prototypen, die neue Maßstäbe setzen, auf beleuchteten Sockeln als Höhepunkt des Nike On Air-Events präsentiert. Aber Hoke hatte recht. A.I.R. geht gerade erst so richtig los.

"Es gibt kein Zurück mehr", sagt er. "Form und Funktion – vereint mit Fantasie".

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